Inselstadt
Ganz gleich, ob man von Westen über den Lüneburger Damm oder von Osten über den Königsdamm auf die Stadtinsel fährt, zu jeder Jahreszeit bietet sich dem Betrachter ein reizvolles Panorama, das von der eindrucksvollen Silhouette des Doms beherrscht wird.
Maler und Zeichner, Dichter und Schriftsteller sind von diesem Anblick immer wieder inspiriert worden. Eine besonders poetische Beschreibung der Inselstadt hat 1785 der Autor Johann Heinrich Campe zu Papier gebracht:
„Diese Insel ist mit einem ziemlich regelmäßig angelegten Städtchen bebaut, welches, von fern gesehen, seiner roten Ziegeldächer wegen, erst seit gestern fertig geworden zu sein scheint. Denke dir, du sähest eine glattpolierte Schüssel, mit roten Krebsen angefüllt, den Rand mit grüner Petersilie belegt: und was du siehst, ist Ratzeburg.“
Ratzeburgs Geschichte ist auf das Engste mit dem Wasser verknüpft. Die heutige Stadtinsel und eine kleinere im Westen vorgelagerte Insel waren ursprünglich nicht mit dem Festland verbunden. Nicht umsonst wählten die Slawen, die seit dem 6. oder 7. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Kreises Herzogtum Lauenburg ansässig waren, diesen Ort in geschützter Lage, um dort eine Burg anzulegen, die zu einem Verwaltungssitz ausgebaut wurde. Der slawische Fürst Ratibor, der über den Teilstamm der Polaben („Elbanwohner“) herrschte, wurde wahrscheinlich zum Namensgeber der Stadt. Aus der Burg des „Ratse“, der Kurzform seines Namens, wurde Ratzeburg.
Über den Großen Ratzeburger See, der sich rund zwölf Kilometer nach Norden erstreckt, und die Wakenitz bestand zwar stets eine schiffbare Verbindung zur Hansestadt Lübeck. Aber von den wichtigsten Handels- und Verkehrswegen lag Ratzeburg ein Stück entfernt. Von Osten war Ratzeburg bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts nur über eine lange, hölzerne Brücke zu erreichen. So waren es nicht Handel, Handwerk und Gewerbe, die Impulse für die Entwicklung der Stadt gaben, sondern die kirchlichen und die weltlichen Verwaltungen.
Mit der Entwicklung des Tourismus im 19. Jahrhundert rückten die landschaftlichen Vorzüge der Stadt und ihrer Umgebung mehr und mehr in das Bewusstsein der Besucher. Voller Überschwang wirbt eine Broschüre am Ende des 19. Jahrhunderts:
“Einen unwiderstehlichen Reiz übt die landschaftliche Schönheit dieses waldumrauschten Inselstädtchens [...] jahraus, jahrein auf die Touristenwelt aus, und es bildet besonders in den Sommermonaten einen beliebten Ausflugsort der Großstädter, die sich hier - und sei es nur auf einen Tag - an den Naturschönheiten erfreuen und liebliche Bilder der Erinnerung in das Alltagsleben mit hineinnehmen. Aber auch als Sommerfrische erfreut sich Ratzeburg eines zunehmenden Rufes. Es hat zwar keine Thermen oder mineralische Quellen [...] dafür aber reine köstliche Lebensluft, wonnigen Wald und tiefklares Wasser: es ist also ein Platz für Rekonvaleszenten und Gesunde, die fern von den gewöhnlichen Pflichten des Lebens sich für einige Wochen oder Monate köstlicher Ruhe hingeben und neue Kräfte und frische Lust zum ernsten Lebensberuf sammeln wollen.”
Auch heute setzt die Stadt auf den hohen Erholungswert, den die Stadt und ihre Umgebung bieten.